EDITORIAL

BDR und WM: Deutsche Rennfahrer gehören weiterhin zu den weltweit besten Rad-Athleten

Im letzten Jahr – bei der WM Straße in Spanien – hatten die Rennfahrer des Bund Deutscher Radfahrer in der inoffiziellen Nationenwertung am besten abgeschnitten. In diesem Jahr, bei den Weltmeisterschaften in den USA, beeindruckte der deutsche Radsportverband mit vier Medaillen beim Zeitfahren. Dazu holten Lisa Brennauer, Trixi Worrack und Mieke Kröger beim Firmen-Mannschaftszeitfahren die Gold-Medaille.

Besonders herausragte zum Bespiel ebenfalls Leo Appelt, der schon länger gefördert wird durch den BDR und das Unternehmen Müller - Die lila Logistik. Er kam aus Langenhagen bei Hannover, flog in die Vereinigten Staaten von Amerika und fuhr in Richmond auf die Höhen des Olymps – und gewann Gold für Deutschland.

Dass auch im Radsport keineswegs immer alles nach Plan verläuft, das zeigt das Beispiel des dreifachen deutschen Zeitfahr-Weltmeisters Tony Martin. In der Stadt des amerikanischen Grusel-Autors Edgar Allan Poe, in Virginia, erlebte der vermeintliche Goldjunge aus dem hessischen Eschborn aus eher unerklärlichen Gründen sein persönliches WM-Waterloo. Diese Niederlage war auch ein Schlag ins Kontor des BDR.

Der Radsport in Deutschland ist insgesamt offensichtlich auf einem guten Weg – auch in Richtung Rio, zu den Olympischen Sommerspielen in Südamerika. Wo die Karten neu gemischt werden.

Beste Grüße
Manfred Schwarz

 



Weltmeisterschaften 2015 in den USA: Warum gab es keine Fernseh-Livebilder?

Interview: Welche besonderen Ergebnisse der WM sind aus deutscher Sicht herauszustellen?

Leo Appelt dominiert das Einzelzeitfahren der Junioren – und wird erneut Weltmeister

Weltmeisterschaft: Zeitfahr-Niederlage für Tony Martin – und den BDR

WM-Straßenrennen: Herbe Enttäuschung für „Dege“

WM Straße: BDR gehört weiterhin zur Weltspitze
 


2017: TV-Rechte für den norwegischen Sender TV 2
Weltmeisterschaften 2015 in den USA: Warum gab es keine Fernseh-Livebilder?

Erstmals war die ARD nach drei Jahren Pause wieder in die Live-Berichterstattung von der Tour eingestiegen. Von der WM in Richmond freilich gab es in Echtzeit keine bewegten TV-Bilder. 2017 soll sich das ändern. Doch nicht unbedingt zum Vorteil der deutschen Fernsehzuschauer.

Warum das Fernsehen in Deutschland – die öffentlich-rechtlichen Anstalten und Eurosport – erneut nicht von einer Weltmeisterschaft auch direkt gesendet hat, verwundert schon erheblich. Haben doch hier die deutschen Fahrer die besten Chancen, Medaillen einzufahren. Und schon bei der Tour hatte sich der deutsche Radsport erneut von seiner besten Seite präsentiert.

"Grundsätzlich möchten wir erst einmal im Rahmen der Tour der France 2016 abwarten, wie weit das Publikumsinteresse beim Radsport wieder zu wecken ist, bevor wir andere, langfristige Verpflichtungen oder Verträge eingehen wollen", sagte dazu ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky gegenüber dem Magazin Tour.

Das ZDF hingegen, das gemeinsam mit der ARD jahrelang über Radsport berichtet hatte, strebt anscheinend eine „Lösungsfindung“ an: "Das ZDF prüft derzeit intern, in welcher Form von diesem Ereignis berichtet werden kann", hieß es in einer Pressemitteilung. Bis dahin werde jedoch auch schon nachrichtlich und in Sportregelsendungen – wie etwa im Aktuellen Sportstudio – über die Ereignisse in Richmond berichtet.

Mehr bemüht um die Übertragungsrechte scheint derzeit Eurosport. In einer Stellungnahme aus der Sendezentrale in Paris heißt es: "Eurosport überträgt mehr als 40 Rennen der Saison. Als Radsportsender Nummer 1 ist es natürlich unser Bestreben, auch die UCI Weltmeisterschaften zu übertragen. Dies kann aber erst dann geschehen, wenn zwischen den Vertragspartnern eine Einigung erzielt wurde." Diese vertragliche Übereinkunft mit den Rechtehaltern der Weltmeisterschaften sei – leider – noch nicht zustande gekommen.

Der Weltradsportverband UCI hat einem Bericht von Tour zufolge auf entsprechende Anfragen bislang nicht reagiert. Die UCI übertrug in diesem Jahr alle – bis auf die Junioren-Rennen – Wettbewerbe live auf ihrem offiziellen YouTube Channel.  

Der Weltradsportverband hat vor wenigen Tagen bekannt gegeben, er habe einen langjährigen Vertrag mit dem Fernsehsender TV 2 unterzeichnet, dem größten kommerziellen norwegischen TV-Kanal. Dieser berichte ab 2017 von großen Radsport-Events in Disziplinen wie Straße, Bahn oder Cross. "Ich bin hocherfreut über diese Einigung mit TV 2", verkündete dazu UCI-Präsident Brian Cookson. "Es ist ein sehr ermutigendes Zeichen von Engagement, eine solche Verpflichtung einzugehen."

Tour fragt dazu kritisch: „Warum die UCI sich dann jedoch nicht auch um Einigungen mit anderen Ländern und Fernsehsendern bemüht, bleibt weiterhin offen."

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BDR-Vizepräsident Günter Schabel
Interview: Welche besonderen Ergebnisse der WM sind aus deutscher Sicht herauszustellen?

BDR-Nachrichten: Zeit, die Weltmeisterschaften in Richmond noch einmal Revue passieren zu lassen. Zur Leistungsbilanz des BDR hat es in den Medien teils ein unterschiedliches Echo gegeben. Welche Erfolge sind aus Sicht des BDR besonders zu unterstreichen?

Günter Schabel: Das Team des BDR ist im internationalen Medaillen-Ranking auf Platz zwei gekommen. Ein großer Gesamterfolg. Deutschland hat gezeigt: Wir sind eine sehr erfolgreiche Zeitfahrer-Nation. Dass gleich zwei BDR-Rennfahrer – Lennard Kämna und Max Schachmann – beim Zeitfahren der U23 aufs Podium gefahren sind: grandios. Ein fast unglaublicher Erfolg ist es auch, dass ein Bahn-Verfolgungsweltmeister, nämlich Leo Appelt, auch noch Junioren-Champion im Zeitfahren Straße geworden ist. Wunderbar, dass Lisa Brennauer gleich zwei Medaillen geholt hat – im Einzelzeitfahren und beim Zeitfahren ihrer deutschen Firmen-Mannschaft.

BDR-N: Wo sind Schwächen offenbar geworden?

GS: Unübersehbar: Wir haben besondere Schwächen im Juniorinnen-Bereich. Die sind uns freilich schon länger bekannt. Wir arbeiten auf dieser Baustelle.

BDR-N: Wenn der BDR daran arbeitet: Sind personelle und strukturelle Veränderungen anzustreben?

GS: Hier sind personelle Maßnahmen erforderlich. Wir wünschen uns – neben André Korff – einen weiteren Trainer. Wir diskutieren intensiv auch strukturelle Veränderungen. Dazu ist demnächst mehr zu sagen.

BDR-N: Wie war das Betriebsklima im WM-Team des BDR?

GS: Das Betriebsklima war echt super. Das war eine große Mannschaft, ob Athletinnen, Athleten oder Betreuer: eine tolle Gemeinschaft. Alles war bestens organisiert. Wir hatten ein richtig gutes Hotel. Und wir hatten wieder unseren excellenten Koch, unseren Eros. Nicht nur Liebe, sondern auch Erfolg geht bekanntlich oft durch den Magen.

BDR-N: Wie waren die Rahmenbedingungen in Virginia? War die WM gut organisiert? Wie war die Stimmung in der Bevölkerung?

GS: Die WM-Organisation war vorbildlich. Probleme wurden schnell gelöst. Die Begeisterung der Amerikaner war für uns überraschend. Bei einigen Wettbewerben waren viele hunderttausende von Zuschauern. Die amerikanischen Fans begeistern sich natürlich vor allem für US-Athleten. Aber auffällig groß war die Begeisterung auch für die deutschen Rennfahrer und die Betreuer aus Deutschland. Oft wollten „Yankees“ sogar auf Deutsch mit uns sprechen. Anscheinend stammen viele US-Amerikaner ursprünglich aus Deutschland. Wir haben uns sehr, sehr wohl gefühlt in den USA.

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Förderung auch durch "Müller - Die Lila Logistik" und den BDR
Leo Appelt dominiert das Einzelzeitfahren der Junioren – und wird erneut Weltmeister


„Leo, mach’s noch mal“, so dachten sicher viele Mitglieder des RC-Blau-Gelb Langenhagen und der Radsportfördergruppe Blau-Gelb Team Swiss-O-Par am 22. September in der Metropolregion Hannover.

An diesem Tag startete Leo Appelt – der zehnfache Deutsche Meister, Gewinner der Jugend-Olympiade 2013 und Bahnweltmeister 2015 in der Einerverfolgung – kurz nach 15 Uhr in Richmond (USA) für den BDR im Einzelzeitfahren.

Spätestens in den ZDF-heute-Nachrichten um 19 Uhr war dann deutschlandweit zu erfahren: Leo Appelt, aus Langenhagen bei Hannover, hat es souverän geschafft, ist neuer Weltmeister im Einzelzeitfahren der Junioren. Das regionale Nachrichtenmedium Echo berichtete und bezog sich dabei auf den Sportverein Blau-Gelb: „Zwei WM-Titel in einem Jahr, das konnte nur Emma Hinze, Ehrenmitglied des Vereins mit drei Goldenen bei der Bahn-WM in Kasachstan toppen.“

Leo Appelt dominierte insgesamt sein Rennen. Er legte die 30 Kilometer lange Strecke in 37:45 Minuten zurück und gewann mit 17 Sekunden Vorsprung vor dem US-Amerikaner Adrien Costa und 59 Sekunden vor dessen Landsmann Brandon McNulty. Ein wiederum grandioser Erfolg für Leo Appelt, auf den auch dessen Vater Rainer stolz ist. Er sagt, sein Sohn zeichne sich aus durch große „Kontinuität“, habe sein „besonderes Potential“ nun schon oft unter Beweis gestellt – und sei dabei immer auch „authentisch“ geblieben.

Schon im Februar hatte BDR-Vizepräsident Günter Schabel festgestellt: "Mit diesen Sportlern haben wir jetzt ganz besonders herausragende deutsche Nachwuchssportler für die Talentförderung ausgesucht.“ Bei der WM in den USA hat aktuell Leo Appelt unter Beweis gestellt, dass Schabel mit seinen Erwartungen wohl richtig liegt.

Das Unternehmen Müller – Die lila Logistik steht nicht erst seit gestern für Radsportförderung, insbesondere im Bereich der Bundesliga. Anfang des Jahres hat die Firma in Kooperation mit dem BDR ihr Portfolio im Radsport erweitert: Bereits 2014 wurden durch das Unternehmen zwei Radsportler unterstützt, 2015 werden, auf Vorschlag des BDR, insgesamt vier Radsportler gefördert - neben Lisa Klein und Leo Appelt auch Pauline Grabosch und Niklas Merkel.

Vom BDR ausgewählt wurden dazu zwei junge deutsche Radsportler, die von der Firma Müller - Die lila Logistik vor allem bei der Beschaffung von sportlichen Ausrüstungsgegenständen, bei den Reisekosten und beim Kauf der Rennsporternährung finanzielle Unterstützung bekommen. Wen hatte man ausgewählt? Es waren die damals 18-jährige Lisa Klein (Lauterbach bei Saarbrücken) und der heute 18-jährige Leo Appelt aus Langenhagen.

Schon im Februar hatte BDR-Vizepräsident Günter Schabel festgestellt: "Mit Leo Appelt und Lisa Klein haben wir jetzt zwei ganz besonders herausragende deutsche Nachwuchssportler für die Talentförderung ausgesucht.“ Als Ziel formulierte Schabel nichts Geringeres als die Olympia-Teilnahme der beiden jungen Radsportler. Bei der WM in den USA hat aktuell  Leo Appelt unter Beweis gestellt, dass Schabel mit seinen Erwartungen wohl richtig liegt.

Auch der Radsportverband Niedersachsen hatte im April das richtige Gespür für Nachwuchshoffnungen. 100 Sportler aus Niedersachsen, die ein Perspektive haben für die Olympischen oder Paralympischen Spiele in Rio oder Tokio, erhalten in diesem Jahr insgesamt 216 000 Euro im Rahmen einer Individualförderung. Einer der Geförderten ist auf Vorschlag des Radsportverbandes: Leo Appelt. Er möchte nun dem Radsport Priorität einräumen – auch gegenüber einem ebenfalls möglichen Studium.

Foto: Leo Appelt nach seinem Sieg in Richmond // Video: Der frisch gebackene Weltmeister im Interview https://www.youtube.com/watch?v=ALj4QhejPgg

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In der Stadt des Grusel-Autors Edgar Allan Poe
Weltmeisterschaft: Zeitfahr-Niederlage für Tony Martin – und den BDR

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Vor dem Start war er, Tony Martin, unbestritten der große Favorit – am Ende waren der deutsche Spitzen-Zeitfahrer und die Radsport-Szene in der Bundesrepublik bitter enttäuscht: Statt Gold sprang für den Matador – und für den BDR – beim WM-Einzelzeitfahren in den USA nur Rang sieben heraus.

Die Niederlage blieb auch für den Eschborner offensichtlich unerklärlich. In der Heimatstadt von Edgar Allan Poe, der einst viele spannende Kriminalromane schrieb, ist es Tony Martin nicht vergönnt gewesen, ein – für den deutschen Radsport – positives historisches Kapitel Sportgeschichte zu Protokoll zu geben.

Der für ihn „maßlos enttäuschende siebte Platz“ beim Einzelzeitfahren der Weltmeisterschaft am Mittwoch in Richmond kam für den Eschborner einem schieren „Schreckens-Szenario gleich“ (Hessenschau der ARD) – Zu allem Übel: Zum ersten Mal seit 2009 verpasste Martin sogar das WM-Podium.

Von 2011 bis 2013 war Tony Martin, heute 30 Jahre alt, geradezu unantastbar im Kampf gegen die Uhr. Ihm war sogar der WM-Hattrick gelungen. Im Vorjahr musste Martin dann, wie schon 2012 bei den olympischen Sommerspielen im englischen London, dem Briten Bradley Wiggins den Titel überlassen und sich mit Platz zwei begnügen. Doch in diesem Jahr hatte der – bisweilen auch etwas skurril anmutende – Super-Athlet aus dem United Kingdom auf einen WM-Start in Virginia verzichtet, ebenso wie die Zeitfahr-Legende Fabian Cancellara aus der Schweiz. „Deshalb konnte der neue Champion doch nur Tony Martin heißen – eigentlich“ (dpa). 

"Die Favoriten waren sicherlich andere, vor allem Tony. Aber, ich denke, heute war einfach mein Tag", sagte denn auch der völlig überraschend siegreiche, 34-jährige,  Weißrusse Kirijenka nach seinem einzigartigen Coup. Ihn hatte sicherlich niemand der Experten auf dem obersten Podest erwartet – den italienischen WM-Zweiten, Adriano Malori, und Bronzemedaillen-Gewinner Jerome Coppel aus Frankreich sicherlich ebenso wenig. Viel mehr hatten der Vorjahres-Dritte Tom Dumoulin (Niederlande) und der Australier Rohan Dennis als Martins ärgste Kontrahenten gegolten. Doch dann, welch Wunder, wurde Dumoulin Fünfter – und Dennis Sechster.

Tony Martin ließ nach dem historischen Rennen lange auf sich warten. Als er sich dann den Medien stellte, wirkte der Athlet aus Hessen erschreckend „down“. Er „schüttelte immer wieder seinen Kopf mit den durchgeschwitzten Haaren, sprach langsam und leise“ (Hessenschau). Dass er auch von sich selbst extrem enttäuscht war – er musste es nicht sagen. Intonation, Mimik und Gestik waren mehr als deutlich.

Seinen auf der sechsten Etappe der 102. Tour de France erlittenen Schlüsselbeinbruch wollte Martin nicht als Ausrede gelten lassen. Zu gut und vor allem schmerzfrei, sagte er, seien die Vorbereitungen für die Weltmeisterschaft verlaufen.

Die ersten acht der beim WM-Zeitfahren 2015 zu absolvierenden 53,5 Kilometer seien durchaus nach Plan verlaufen. Martin: "Ich habe mich ziemlich gut gefühlt, konnte mit so viel Power fahren, wie ich es erwartet hatte.“

Auf dem ersten Rückenwind-Abschnitt sei das Rennen dann jedoch für ihn, erklärte er,  "einfach viel zu schnell" geworden. „Martin verlor seinen Rhythmus, somit seine gewohnte Trittfrequenz und hatte bei Halbzeit bereits einen Rückstand fast 40 Sekunden“ (Hessenschau). Vorn fuhren sie, all die großen Konkurrenten, konstant sehr schnell. Beim Favoriten hingegen begann mit jeder weiteren verlorenen Sekunde „der Kampf gegen sich selbst“ (dpa). "In der zweiten Hälfte hatte ich eher mentale als physische Probleme", resümierte Martin. Er selbst, der dreifache Weltmeister, zog – auch für den deutschen Radsportverband, den BDR – das wenig erfreuliche Fazit: "Dies war ganz und gar nicht mein Tag."

Tony Martin wird nun alles dafür geben, seinen „Traum vom Olympia-Gold in Rio de Janeiro“ (Handelsblatt) zu verwirklichen. Deshalb schließt er auch nicht mehr aus, bei der nächsten, der 103. Tour de France nicht zu starten.

Foto: Tony Martin // Video: Vom Pech verfolgt https://www.youtube.com/watch?v=cTB_Jz6r5Po

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Mit der Saison aber sehr zufrieden
WM-Straßenrennen: Herbe Enttäuschung für „Dege“

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Noch nach mehr als einer halben Stunde nach dem WM-Rennen Straße in den Vereinigten Staaten von Amerika saß John Degenkolb am offenen Kofferraum seines Team-Fahrzeugs – und wirkte immer noch sehr mitgenommen.

John Degenkolb hat zum Abschluss der Straßenrad-WM im US-amerikanische Richmond „einen historischen Coup verpasst“ (Youtube). Der 26-Jährige musste sich im Straßenrennen dem Slowaken Peter Sagan geschlagen geben und fuhr auch deutlich am Podium vorbei.

Rang 29 – das war für John Degenkolb einfach zu wenig. Jedenfalls „für die Ansprüche des ehrgeizigen Radprofis“ (Thüringer  Allgemeine). Der große Rennfahrer aus dem Freistaat Thüringen, der heute im hessischen Frankfurt lebt, konnte am vorletzten Anstieg – und ausgerechnet das auch noch auf einer Kopfsteinpflasterpassage, die ihm sonst so sehr liegt – der Attacke des späteren Siegers Peter Sagans nicht mehr folgen.

„Als der Slowake an der giftig ansteigenden 23rd Street seine entscheidende Attacke lancierte, verlor Degenkolb erst den Anschluss und setzte dann zu ungestüm hinterher (Eurosport).  "Es war eine Verzweiflungstat. Ich war zu offensiv. Ich hätte pokern sollen", sagte der gebürtige Geraer Degenkolb auch durchaus selbstkritisch.

Als der neue, 25-jährige Weltmeister Sagan aus der Slowakei sich schon längst für seinen großartigen Sieg wie ein Showman feiern ließ, suchte der 26-jährige „Dege“ immer noch nach Erklärungen für den enttäuschenden Rennverlag. „Ich wollte unbedingt mitgehen, habe die Nerven verloren und den Fehler gemacht, zu viel zu machen.“

Und genau das bestätigte auch der später strahlende Sieger Sagan: „Ich habe nur einmal angegriffen – und ich denke, es war die richtige Attacke.“ Dazu der Erfurter Sportjournalist Michael Voß: Die „entscheidende Attacke gelang Degenkolb eben nicht, auch wenn er immer gut positioniert war und einen insgesamt starken Eindruck hinterließ“. So räumte Dege denn auch ein: „Klar ist die Enttäuschung groß. Wir sind, denke ich, ein super Rennen gefahren und waren eigentlich immer dabei.“

Die Thüringische Allgemeine unterschreibt diese Einschätzung – aber doch nicht ganz. „Denn als in der vorletzten Runde eine bärenstark besetzte Gruppe mit Titelverteidiger Michal Kwiatkowski und Ex-Weltmeister Tom Boonen ging, hatten die Deutschen keinen Fahrer dabei und mussten deshalb reagieren. Da verschliss das BDR-Team vier Fahrer, darunter André Greipel.“

Degenkolb lobte jedenfalls seine Mannschaft sehr – in vielen Interviews: „Sie hat super gearbeitet, sich ins Zeug gelegt, um mir ein gutes Rennen zu ermöglichen. Großes Kompliment an alle.“ Der Kämpfer, der in diesem Jahr seine bisher größten Erfolge vor der WM geholt hat, hofft nun, „diese Unterstützung irgendwann mal an die Mannschaft zurückgeben“ zu können. Gelegenheit dazu besteht: Zum Beispiel am 6. August 2016 – beim Olympischen Straßenrennen in Rio de Janeiro.

Auch wenn also dieses WM-Rennen daneben gegangen und im Juli der Etappensieg bei der Tour de France ausgeblieben ist – „für Degenkolb steht unter dem Strich ein Jahr, das ihn endgültig in den kleinen Kreis der weltbesten Klassikerfahrer führte“ (Eurosport). Degenkolb, der in diesem Jahr „monumental“ (Mitteldeutsche Zeitung) in Roubaix gesiegt und sich mit seinem Triumpf bei Mailand–San Remo „einen Traum erfüllt“ (Der Spiegel) hatte, hat sich allein schon mit diesen Siegen in die Geschichtsbücher des Radsports eingetragen. Degenkolb dazu bescheiden: "Ich bin sehr zufrieden mit der Saison und kann mich nicht beklagen.“

Die „Katerstimmung“ (Eurosport) nach der bitteren WM-Pleite hielt bei Dege dann auch nicht allzu lange an. Ein paar Biere hellten die Atmosphäre im deutschen Teamhotel später wieder auf, dazu fand der deutsche Renn-Athlet bei Frau Laura und Söhnchen Leo Robert viel Trost. Außerdem lockte auch ein dann folgender Amerika-Urlaub.

Foto (v. lks.): Marcel Sieberg, John Degenkolb, Simon Geschke, André Greipel, Tony Martin, Johannes Fröhlinger, Paul Martens und Paul Voß 

VIDEO John Degenkolb und André Greipel nach dem WM-Rennen im Interview: https://www.youtube.com/watch?v=dRwi30Zi0iY

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Juniorinnen sorgten für einen Wermutstropfen
WM Straße: BDR gehört weiterhin zur Weltspitze

„Der deutsche Radsport hat eindrucksvoll untermauert, dass er zur Weltspitze gehört.“ Sportdirektor Patrick Moster war voll des Lobes über die vier Medaillen der BDR-Athleten bei der Straßen-Weltmeisterschaft in Richmond.

Auch wenn die Zahl der Medaillen, insbesondere der goldenen, nicht an die des Vorjahres heranreichten, hat der Bund Deutscher Radfahrer bei diesen Titelkämpfen recht gut abgeschnitten. Allein in den Zeitfahr-Disziplinen gab es vier Medaillen. Lisa Brennauer (Durach) konnte zwar ihren Titel im Einzelzeitfahren der Frauen nicht verteidigen, aber mit ihrer Bronzemedaille hat sie ihre Zugehörigkeit zur Weltspitze klar bestätigt. Zwei Tage zuvor gewann sie auch Gold im Teamzeitfahren mit ihrer Firmenmannschaft Velocio Sram.

Im Zeitfahren der U23 gab es gleich zwei Mal Edelmetall: Hinter Weltmeister Matz Würtz Schmidt aus Dänemark belegten Max Schachmann (Berlin) und Lennard Kämna (Fischerhude) die Podiumsplätze. Eine Medaille in dieser Rennkategorie hatte es seit fünf Jahren – seit Marcel Kittels Bronzerang in Geelong – nicht mehr gegeben. In der Juniorenklasse dominierte wie 2014 in Ponferrada ein deutscher Fahrer: Leo Appelt aus Hannover-Langenhagen, im August bereits Weltmeister in der Einerverfolgung, gewann den Titel souverän.

Tony Martin indes konnte seine Favoritenrolle nicht erfüllen und belegte in seiner Spezialdisziplin, in der er bereits drei Mal Weltmeister war, einen für ihn enttäuschenden siebten Platz.

In  den Straßenrennen sorgten wieder die Junioren für die beste BDR-Platzierung: Martin Salmon erkämpfte sich Rang fünf; in der Klasse der U23 war Lennard Kämna als Zehnter bester Deutscher, bei den Frauen fuhr Trixi Worrack auf Platz zwölf. Im Straßenrennen der Männer agierte die deutsche Mannschaft hervorragend, doch im Finale konnten sie den explosiven Antritt Peter Sagans nicht toppen. John Degenkolb, der ein großartiges Finale fuhr, kam mit den Verfolgern auf Platz 29 ins Ziel.

„In den Straßenrennen mussten wir uns diesmal mit Top-Ten-Platzierungen zufrieden geben. Das Glück, was uns in Ponferrada in die Hände gespielt wurde, war diesmal nicht auf unserer Seite. Aber wir haben alle Rennen entscheidend geprägt und unseren Stempel aufgedrückt. Bei allen Massenstarts sind wir kompakt als Mannschaft aufgetreten,“ meinte Sportdirektor Moster stolz.

Einziger Wermutstropfen waren die Juniorinnen, die der internationalen Konkurrenz nicht gewachsen waren. „Dort muss sich strukturell einiges ändern“, mahnte Moster und nennt 2016 als Richtwert. „Nach den Spielen in Rio müssen wir das Trainingssystem im weiblichen Nachwuchsbereich neu ordnen“, sagt der Sportdirektor – und wünscht sich dabei wohl auch eine weitere Trainerstelle beim BDR. Derzeit ist André Korff, ehemaliger Straßen-Profi, für den kompletten Frauen- und Juniorinnenbereich auf Bahn und Straße verantwortlich.

Sehr wichtig bei solchen Wettbewerben ist auch das „Betriebsklima“. Dazu hat BDR-Vizepräsident Udo Sprenger festgestellt: „Der Teamgeist in der deutschen Mannschaft insgesamt und in den einzelnen Mannschaftsteilen war wieder ausgezeichnet. In allen Klassen haben sich die Helfer oder die Helferinnen für die jeweiligen Kapitäne aufgeopfert, auch wenn nicht immer das gewünschte Ergebnis erzielt wurde. Im Nachhinein wurde dann auch gemeinsam gefeiert – oder auch schon mal getrauert.“

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IMPRESSUM
BDR-Nachrichten 9/2015 / 7. Jahrgang
Herausgeber: Bund Deutscher Radfahrer (BDR) / Frankfurt am Main / Deutschland
Texte / Verantwortlich: Dr. Manfred Schwarz / BDR-Vizepräsident (Kommunikation)
E-Mail: dr.manfredschwarz@gmx.de; Tel.: 0171 205 1 201